rideFAR180 Berlin 2022

rideFAR180 Berlin 2022

gefahren am 20. März 2022

Frühlingszeit – Radelzeit, Zeit für die rideFAR-Challenge von Orbit 360. Sollte ich es noch einmal versuchen? Was einmal klappt, ist sicherlich auch ein zweites Mal möglich. Das Wetter versprach gut zu werden, und ich wollte doch immer schon einmal eine Runde um Berlin herum fahren – also los.

Das Aufstehen um 5 Uhr, noch vor Sonnenaufgang, ist für mich ja quasi ausschlafen. Meine kleine dunkelblaue Dörte war fit (vermutlich fitter als ich) und so verließen wir gegen 6:20 Uhr unser Zuhause bei zunächst noch sehr eisigen Temperaturen. Belohnt wurden wir mit wunderbaren Bildern zum Sonnenaufgang in kalter, klarer Luft. Nach 20 Kilometern waren die Füße allerdings bis zu den Waden eingefroren und ich hoffte einfach, dass die Sonne bald etwas wärmen und den Auftauprozess vorantreiben würde.

Nach 45 Kilometern, also einem Viertel der Strecke, war es so warm, dass ich eine erste kurze Essenspause in der Sonne riskieren konnte, ohne danach tiefgefroren zu sein. Der Tee in der Thermosflasche war zu diesem Zeitpunkt schon nur noch knapp lauwarm, aber immerhin besser als das eiskalte Wasser.

In Hennigsdorf erblickte ich die Schilder Richtung Kopenhagen. Hier starteten meine Cousine und ich vor 18 Jahren zu unserer allerersten großen Radtour in die dänische Hauptstadt – der Beginn meiner großen Radtour-Leidenschaft. Heute wollte ich aber nicht mehr bis nach Dänemark, sondern hatte andere ambitionierte Ziele und so bog ich Richtung Osten ab. Zunächst kam ich noch gut voran und fuhr windgeschützt und asphaltverwöhnt bis Frohnau. Von dort an traf mich der Gegenwind aber heftiger, der Schwung und der Elan des Starts waren schon ziemlich aufgebraucht und die Beine wurden langsam müde. Gleichzeitig war es immer noch nicht richtig warm und ich hatte das Gefühl absolut nicht voranzukommen, schließlich hatte ich gerade einmal ein Drittel der Strecke geschafft. Aus der Erfahrung vom letzten Jahr wusste ich, dass dieser Punkt kommen würde, an dem ich etwas kämpfen musste. Mich irgendwie motivieren und dabei weiterfahren – nur nicht aufgeben. Das versuchte ich mit kleinen Rechenspielchen: Wenn ich 80 Kilometer überwunden hatte, war der Rückweg nur noch zweistellig; bei 90 Kilometern hatte ich die Hälfte geschafft (und die Mittagspause war fällig); 100 Kilometer klingt ja sowieso schon toll und ab 120 wird es dann wieder leichter – zumindest war das im letzten Jahr so, also glaubte ich auch dieses Mal daran. Etwas demotivierend auf mich wirkte hingegen das Rentnerpärchen auf E-Bikes, das mich überholte, nachdem es eine Weile hinter mir gefahren war. Oh, das waren ja nicht einmal E-Bikes, sondern ganz normale Fahrräder…äh naja, die waren bestimmt noch nicht so weit gefahren wie ich und deswegen noch schneller.

Die Mittagspause hielt ich nach ca. 95 Kilometern in einem windgeschützten Waldstück ab. Dort setzte ich mich einfach an einem sonnigen Fleckchen am Wegesrand ins Laub und löffelte Bulgursalat mit Kräuterquark. Währenddessen sprach mich ein vielleicht 2-jähriges Kind an (die Betreuungsperson war in Sicht- aber nicht in Hörweite):

„Guten Tag, was machen Sie da?“

ich: „Ich mache Mittagspause und esse etwas.“

Kind: „Warum?“

ich: „Weil ich Hunger habe.“

Kind: „Dann wünsche ich Ihnen gute Besserung und einen schönen Tag.“ Das Kind sauste auf seinem Laufrad davon.

Die Eloquenz dieses kleinen Wesens überraschte mich doch sehr, wobei ich mich immer noch frage, warum es mir „gute Besserung“ gewünscht hatte. Gebessert hatte sich nach der Pause auf jeden Fall der Hunger und so stieg ich – gut gesättigt – wieder auf mein Rad. Und obwohl ich nun endlich nicht mehr im direkten Gegenwind fuhr, hatte ich noch eine ganze Weile arg mit mir zu kämpfen.  Immer häufiger fuhr ich nun aber auch auf Abschnitten mit etwas Rückenwind und auf dem Adlergestell rollte es sich dann richtig angenehm. Etwas städtischer wurde es wieder in Grünau und Alt-Glienicke. Da war es gar nicht so einfach, durch den Straßenverkehr zu kommen, denn um die Konzentration stand es auch nicht mehr zum allerbesten. Immerhin war ich auch schon seit fast 11 Stunden unterwegs, davon mehr als 9 im Sattel. Doch nun lohnte sich umkehren ja auch nicht mehr 😉 .

Vorbei am BER stellte sich nun endlich der ersehnte „Heimweg-Flow“ ein. Dieses Gefühl, dass es nun nicht mehr weit ist, dass ich durchhalten werde, dass es jetzt bis zu Hause einfach nur noch läuft. Vielleicht hatten mich aber auch nur der Zucker und die Energie vom letzten Schokoriegel und der kleinen Flasche Cola, die ich aus den Tiefen meiner Fahrradtaschen zauberte, beflügelt.

Die letzten Sonnenstrahlen blitzten ca. 30 Kilometer vor dem Ziel über den Horizont. Gewärmt haben sie mich inzwischen schon nicht mehr. Ganz im Dunkeln erreichte ich die Stadtgrenze von Potsdam. Nur noch einmal durch die ganze Stadt. Was im Alltag für mich auch gerne mal ein „Och-so-weit-muss-das-jetzt-noch-sein“ ist, war heute einfach nur ein Klacks. Ein Ministück im Vergleich zu allem, was ich den ganzen Tag über schon gefahren war.

Dörte im Sonnenuntergang

Nach 181 Kilometern und 13 Stunden 41 Minuten unterwegs (11:15 Stunden reine Fahrzeit) war ich wieder daheim. Wenn ich gedacht hätte, dass diese Tour weniger anstrengend werden würde als letztes Jahr, so hatte ich mich getäuscht. Trotzdem war ich auch dieses Mal wieder glücklich, zufrieden und ein bisschen stolz auf Dörte und auf mich.

PS: rideFAR bedeutet übrigens „ride for a reason“, das heißt man zahlt für die Teilnahme ein freiwilliges Startgeld, was anschließend gespendet wird. Wer mehr wissen möchte, schaut unter https://orbit360.cc/ride-for-a-reason/